22. September bis 13. November 2016 Freund und Feind – Das Tier in der mittelalterlichen Textilkunst

Adler, Gazellen, Löwen oder auch prächtige Pfauen beleben die Stoffe, in die sich einst die Eliten der Gesellschaft kleideten. Die kostbaren Gewebe sind materielle Zeugnisse adeliger Kultur. Ihre Darstellungen spielen an auf das Privileg der Jagd oder auf das Konzept der höfischen Liebe. Unter Einbezug literarischer Texte, von den Metamorphosen des Ovid über mittelalterliche Versromane bis hin zum Minnesang, beleuchtet die Sonderausstellung 2016 die Bedeutung dieser oft märchenhaft anmutenden textilen Bilder.

Naturbeobachtung Im Mittelalter stand die Beobachtung von Tieren ganz im Dienste der Jagd. Am Hofe Kaiser Friedrichs II. widmete man ihnen erste naturwissenschaftliche Beschreibungen. Werke der angewandten Kunst zeigen sich jagende Tiere, eingebunden in ein rahmendes Ornament. | Eisenkästchen, Süditalien, 12.-13. Jahrhundert, Inv. Nr. 8.155.69

Sinnbildliche Ausdeutungen Viele Tiermotive können mit Hilfe des Physiologus gedeutet werden. Dieser naturkundliche Text eines spätantiken griechischen Autors war im christlichen Mittelalter weit verbreitet. Er setzt allegorische Bezüge, insbesondere zum Leben und Wirken Jesu. | Seidengewebe mit Pelikanen und Hunden, Italien, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, Inv. Nr. 152

Wappen und Wahlsprüche Auf Schilden und anderen Teilen der ritterlichen Ausrüstung sind Tiere seit dem 12. Jahrhundert zu finden. Als Wappentiere werden sie zu Familienabzeichen. Verbunden mit Spruchbändern mit einem Lebensmotto, bilden sie eine Devise. So gemusterte Stoffe dienten auch der öffentlichen Kommunikation – heutigen Logos vergleichbar. | Seidengewebe mit heraldischen Elementen, Spanien, 2. Hälfte 15. Jahrhundert, Inv. Nr. 1401

Jagd als Adelsprivileg Motive wie springende Hunde unter phantastischen Gewächsen, an deren Ästen Jagdhörner baumeln, zielen nicht auf eine reale Darstellung, sondern auf punktuelle Wiedererkennbarkeit für den Betrachter. Die Jagd war im Mittelalter ein Adelsprivileg. Wer sich solche Stoffe leisten konnte, sah seine gesellschaftliche Rolle bestätigt.| Seidengewebe mit Bäumen, Jagdhörnern und Hunden, Italien, Ende 14. bis Anfang 15. Jahrhundert, Inv. Nr. 192

Tier, Minne und Minneburg Von kläffenden Hunden bewachte Burgen stehen für die behütete Minne, das literarische Konzept der höfischen Liebe. Die mittelalterliche Dichtung gibt diese Motive vor. Sie bietet Idealentwürfe einer adeligen Gesellschaftskultur. | Zwei Seidengewebe mit Burgen, Hunden und weiteren Tieren, beide Italien, 2. Viertel bis 2. Hälfte 14. Jahrhundert, Inv. Nrn. 195 und 210a–b

Vom Tiermotiv zum Rankenornament Im ausgehenden Mittelalter bestimmt nicht mehr der höfische Roman, sondern die Allegorie des Schachspiels das adelige Gesellschaftsideal. Auf den kostbaren Stoffen werden die Tiermotive durch ornamentale Ranken ersetzt. Die Tapisserie mit Maria von Burgund und Kaiser Maximilian illustriert diese Veränderungen exemplarisch: Das Paar spielt in rankengemusterten Gewändern Schach. | Tapisserie (Detail), Flandern, Ende 15. Jahrhundert, Inv. Nr. 95. Boden und Deckel eines Elfenbeinkästchens für Schachfiguren, Norditalien, 15. Jahrhundert, Inv. Nr. 5.37.69