Sammlung Der spätantike Mittelmeerraum war die Wiege der christlichen und islamischen Kultur

Während des Übergangs von der Antike zum Mittelalter, also vom 3. bis 6. Jahrhundert, war die Kunst des Mittelmeerraums geprägt durch das Nebeneinander und die gegenseitige Beeinflussung verschiedener Kulturen und Religionen. Entsprechend vielfältig sind ihre Techniken, Formen und Bildtraditionen. In der Abegg-Stiftung wird diese Fülle durch einen reichen Bestand an spätantiken Textilien repräsentiert. Am beeindruckendsten sind zweifelsohne die monumentalen Wandbehänge, die Figuren aus der griechisch-römischen Mythologie oder Szenen aus dem Alten Testament zeigen.

Dionysosbehang

Die monumentale Bildwirkerei ist ein herausragendes Zeugnis für die Ausstattung spätantiker Innenräume. Sie diente einst als Wandbehang in einem römischen Privathaus oder einem Kultgebäude. Das Bildprogramm zeigt Dionysos, den griechischen Gott des Weins und der Ekstase, mit seinem Gefolge unter reich geschmückten Bogenstellungen. Der Dionysoskult war in der Spätantike weit verbreitet. Er versprach seinen Anhängern ein Weiterleben nach dem Tod. Zugleich brachte er den Wunsch nach einem Leben in Glück und Überfluss zum Ausdruck. | Ägypten, 4. Jahrhundert, Wollwirkerei auf Leinengrund, H. 210 cm, B. ca. 700 cm, Inv. Nr. 3100a

Artemisbehang

Im Zentrum des Behangs steht Artemis, die Göttin der Jagd, in ihrem Tempel. Die Göttin erscheint eilend, mit weitem Ausfallschritt, und ist mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Die Darstellung ist in Reservetechnik ausgeführt. Dabei wurde ein leichtes, dünnes Leinengewebe mit einer Paste aus Harz und Wachs bemalt. Anschliessend wurde der Stoff in ein Färbebad getaucht, wobei die bemalten Stellen keine Farbe annahmen und hell ausgespart blieben. Die Technik erlaubte es, die Darstellung von beiden Seiten des Behanges zu betrachten. | Ägypten, 4.–6. Jahrhundert, Leinengewebe, Reservetechnik, H. 194 cm, B. ca. 600 cm, Inv. Nr. 1397

Salbgefäss

Das kleine, dünnwandige Gefäss hat eine einfache zylindrische Form mit flachem Fuss, schmalem Hals und feinen, spitzen Henkeln. Es wurde aus einem Block glasklaren Bergkristalls geschliffen und ist mit einem goldenen Stöpsel als Verschluss versehen. Feine Goldketten dienen zum Aufhängen. Der kostbare Behälter dürfte einst im Besitz einer reichen Römerin gewesen sein. Er war vermutlich zur Aufnahme duftender Salben und Essenzen bestimmt. | Östlicher Mittelmeerraum, 1. Jahrhundert, Bergkristall, Gold, H. 8,4 cm, Inv. Nr. 9.45.81

Nilseide

Das Muster der Seide zeigt den phantastischen Triumphzug des Nil, dessen Schwemme in Ägypten jedes Jahr feierlich begangen wurde. Der Nil erscheint als Personifikation in bärtiger, beleibter Gestalt. Er sitzt in einem Wagen, der von Kindern an Girlanden gezogen wird. Davor sind Delphine, Krokodile, Meerungeheuer und Wasservögel dargestellt. Zwischen ihnen tummeln sich Fische und kleine Eroten, die angeln, rudern oder auf Nilpferden reiten. | Ägypten oder östlicher Mittelmeerraum, Anfang 4. Jahrhundert, Seidengewebe (Samit), H. 82 cm, B. 111 cm, Inv. Nr. 2187

Erotentunika

Für die Herstellung von Textilien wurden in der Spätantike vor allem Leinen und Wolle verwandt. Seide war ein Luxusgut, das bis ins 6. Jahrhundert aus China importiert werden musste. Die Fragmente der Tunika gehören zu den wenigen erhaltenen Zeugnissen spätantiker Seidengewänder. In ihnen erreichte der spätantike Kleiderluxus seinen Höhepunkt. Das Muster zeigt kreisrunde Rankenmedaillons mit kleinen Eroten, die Früchtekörbe, Tiere oder Musikinstrumente in den Händen halten. | Ägypten oder östlicher Mittelmeerraum, 1. Hälfte 4. Jahrhundert, Seidengewebe (Samit), H. 154,5 cm, B. 100,5 cm, Inv. Nr. 3945

Behang mit Szenen aus dem Alten Testament

Der Wandbehang gehört zu den wenigen Zeugnissen der Malerei auf Textil, die aus der Spätantike überliefert sind. Das Leinentuch wurde im Ganzen dunkelblau gefärbt und anschliessend in Weiss, Gelb, Rot und Braun bemalt. Die Malereien zeigen Ereignisse des Alten Testaments. Die Szenenfolge beginnt mit der Erschaffung Adams und Evas im Paradies und reicht bis zur Errettung der Israeliten nach dem Durchzug durch das Rote Meer. Sie bildet einen der frühesten erhaltenen ausführlichen Bilderzyklen des Alten Testaments. | Ägypten, 2. Hälfte 4. Jahrhundert, Leinengewebe, Temperamalerei, H. 146 cm, B. 436 cm, Inv. Nr. 4185

Lampe

Das becherartige Gefäss diente wohl als Lampe zur Beleuchtung des Altars. Bei dieser Lampenform wurde zunächst Wasser eingefüllt, anschliessend wurde Öl aufgegossen und ein Docht mit einem Schwimmer eingesetzt. Die umlaufende Inschrift am oberen Rand nennt einen römischen Beamten namens Sergius als Stifter. Er hatte die Lampe zur Einlösung eines Gelübdes für sich und seine Familie anfertigen lassen. Derartige Opfergaben waren Geschenke an die Kirche – als Zeichen des Dankes für die Errettung aus einer Notlage. | Syrien (Antiochia), 574–578, Silber, getrieben, vergoldet, nielliert, H. 14,5 cm Inv. Nr. 8.114.64

Flügelpferdbehang

Der Behang zeigt ein Muster aus Rankenmedaillons mit Flügelpferden. Die Tiere sind jeweils mit einer streng geometrischen Fellzeichnung versehen und tragen weisse, flatternde Bänder um Nacken und Fesseln. Muster und Motive des Behangs gehen auf Vorbilder spätantiker Seidengewebe zurück, wie sie vor allem im sasanidischen Persien hergestellt wurden. Seit dem 3. Jahrhundert war dort unter der Herrscherdynastie der Sasaniden ein neues Grossreich entstanden, dessen Kunst und Kultur auf den gesamten Orient ausstrahlte.| Ägypten oder östlicher Mittelmeerraum, 4.–6. Jahrhundert, Wollwirkerei, H. 250 cm, B. 158 cm, Inv. Nr. 2191